Transatlantischer Dialog - die deutsche duale Berufsausbildung ist eine (weite) Reise wert

7.000 Kilometer hatte die sechzehnköpfige Delegation aus den USA zurückgelegt, als sie am vergangenen Montag beim ILW Mainz die erste Station ihrer Studienreise in Sachen Ausbildung antrat. Myriam Klein, Manager Applicant Outreach & Special Projects Apprenticeship Networks GACC Midwest bei der Außenhandelskammer (AHK) USA-Chicago, hat diese Reise geplant als eine Aktivität im Rahmen des Programms „Transatlantischer Dialog zur dualen Berufsausbildung“. 

 

Auch in den USA trifft der Fachkräftemangel das produzierende Gewerbe. Inzwischen erkennen dort immer mehr Unternehmen, dass die standardisierte Ausbildung nach deutschem Vorbild eine erfolgreiche Strategie sein kann, diesem Personalmangel entgegenzuwirken. Was hierzulande kaum bekannt ist: Inzwischen bilden über 90 Unternehmen nach deutschem Standard aus, tatkräftig unterstützt von den Deutsch-Amerikanischen Handelskammern. 

 

„Unser Begegnungsprogramm wendet sich an Vertreter von Unternehmen, Bildungseinrichtungen und Politik, die mit Ausbildungsprogrammen für junge Menschen zu tun haben oder sich daran beteiligen möchten. Es bietet ihnen die Möglichkeit, von ihren deutschen Kollegen aus der Industrie über bewährte Verfahren und Umsetzungsmethoden in Sachen Berufsausbildung zu lernen“, erläutert Myriam Klein. Der gebürtigen Mainzerin bot sich die Stadt mit ihren produzierenden Betrieben als erste Station an und so vereinbarte sie auch einen Besuch beim ILW Mainz. Themenschwerpunkt war hier der Beitrag, den eine überbetriebliche Einrichtung in der Berufsausbildung leisten kann. „Wir sind der Anfrage gerne nachgekommen, weil wir uns auch als Repräsentantin des deutschen Ausbildungssystems verstehen“, sagt Manuel von Vultejus, Geschäftsführer des ILW Mainz. „Auch für uns ist der Dialog mit Menschen aus anderen Ausbildungswelten erfahrungsgemäß ein Gewinn.“

Unterschiede wurden in den lebhaften Gesprächen beim ILW Mainz schnell deutlich. In den USA überwiegen zwei Wege junger Menschen in die Berufswelt: Der Direkteinstieg in den Job oder die Ausbildung an einem College. Dessen Besuch muss privat bezahlt werden. Dementsprechend rief die Information Erstaunen hervor, dass Auszubildende in Deutschland vom ersten Tag an ein Gehalt beziehen und deren Ausbildungsbetriebe sich beim ILW Mainz an den Kosten der überbetrieblichen Bildungsleistungen beteiligen. Der deutsche Mittelweg einer standardisierten und qualifizierten Berufsausbildung, die auch finanziell von den Unternehmen getragen wird, ist in den USA die absolute Ausnahme. „Rechnet sich das denn für die Betriebe? - besonders, wenn sich die jungen Menschen nach Abschluss ihrer Ausbildung einen anderen Arbeitgeber suchen?“ An Fragen wie diesen ließen sich die Vorteile der dualen Ausbildung in Deutschland veranschaulichen: Wenn die ganz überwiegende Zahl der Betriebe selbst ausbildet, ist für eine flächendeckende berufliche Qualifizierung gesorgt, von der alle Beteiligten profitieren.  

Nach einer Führung durch das ILW Mainz und einem schnellen Lunch machte sich die Gruppe auf den Weg zur Schott AG. Es folgten weitere Stationen bei Betrieben in Rottweil, Ulm und Heidelberg sowie der Willi-Burth-Schule (Gewerbliche Schule) in Bad Saulgau, bevor es am Freitag zurück in die USA ging. Unterstützt wurde das Besuchsprogramm vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz und dem Wirtschaftsförderungsprogramm European Recovery Program (ERP; „Marshallplan“).

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