Weihnachtsfeiern im Betrieb dürften ähnlich wie die Bräuche rund um das private Weihnachtsfest typisch für Deutschland und damit ziemlich einmalig sein. Auch das ILW Mainz pflegt seit seiner Gründung 1928 diesen Brauch. „Die Weihnachtsfeier ist fester Bestandteil unseres Jahreskalenders und wir wollen unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern damit auch „Danke“ sagen für ihren Einsatz“, erklärt Manuel von Vultejus, Geschäftsführer des ILW Mainz. Dieses Jahr wird im Gewölbekeller des bekannten italienischen Restaurants „Al Cortile“ in der Mainzer Altstadt gefeiert. Traditionell sind neben den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auch die Ehemaligen des ILW Mainz eingeladen.
Die Weihnachtsfeiern der ILW (damals hieß das ILW Mainz noch „Industrie-Lehrwerkstatt“) waren offenbar so wichtig, dass sie regelmäßig in Aufsichtsratsprotokollen erwähnt werden. 1928 findet sich die Notiz, die sieben Gründungsunternehmen hätten je 50 Reichsmark zur Betriebsweihnacht beigesteuert. 1929 kam noch ein Geschenk für jeden der rund 40 Lehrlinge hinzu – trotz „Schwarzem Freitag“ und Wirtschaftskrise.
Ende 1934 heißt es: „Weihnachtsfeier mit Musik, Weihnachtsschmuck und Weihnachtsgaben für die Lehrlinge.“ Die Musik stammte sogar aus den eigenen Reihen. Der damalige Werksleiter Zoll hatte eine Kapelle aus 28 Mann ins Leben gerufen. Das stärkte nicht nur die Betriebsgemeinschaft, es erfüllte auch eine soziale Funktion: Viele Lehrlinge der ILW fanden nach dem Berufsabschluss infolge der Wirtschaftskrise keine Anstellung. So boten die regelmäßigen Proben wenigstens einen Fixpunkt in der ansonsten arbeitslosen Woche. Und die Musik konnte zu einer Brücke in die Arbeitswelt werden. Jedenfalls sind mehrfach Rundschreiben der ILW an ihre Genossen erwähnt mit der Bitte, die noch arbeitslosen Mitglieder der Musikvereinigung einzustellen.
Zugleich bot die Weihnachtsfeier Gelegenheit, den Einsatz der Belegschaft - damals zwei Meister und drei bis fünf Vorarbeiter – zusätzlich zu belohnen. Die erste Gratifikation ist für das Jahr 1932 verbürgt und bestand aus einer Badezimmerausstattung. Werksleiter Zoll erhielt sie in Anerkennung seiner erfolgreichen Mitarbeit. Er lebte in der Werkswohnung über der ILW-Werkstatt in der Dagobertstraße. 1936 konnte dann wegen des guten wirtschaftlichen Ergebnisses eine Gratifikation an alle Mitarbeiter gezahlt werden – insgesamt 1.125 Reichsmark.
Selbst in Kriegszeiten hielt die ILW an ihrer Weihnachtsfeier fest. 1940 soll sie schon um zwei Uhr nachmittags beginnen, um nicht durch eventuellen Fliegeralarm gestört zu werden, die Bomber kamen erst bei Dunkelheit. Kriegsbedingt fallen nun die Geschenke bescheidener aus und sollen einen Wert von fünf bis sechs Reichsmark nicht übersteigen. Ein Jahr später muss „auf Sachgeschenke an die Lehrlinge […] verzichtet werden, weil es nichts zu kaufen gibt.“ 1943 soll die „Weihnachtsfeier in den Räumen der Lehrwerkstatt, ohne Firmenvertreter und ohne Eltern“ begangen werden. Dass zuvor Eltern dabei waren, mag heute erstaunen, damals traten die Lehrlinge mit Volksschulabschluss bereits mit 14 ihre Ausbildung an.
Nach dem Krieg wurden die Weihnachtsfeiern fortgeführt, hinterließen aber nur noch sporadisch Spuren in den Dokumenten. 1955 zum Beispiel vermerkt das Protokoll: „Im Anschluss an die Aufsichtsratssitzung nahmen die Herren an einer Weihnachtsfeier in der ILW teil.“