Erster Kundenauftrag schon nach zwölf Wochen Ausbildung

Das ILW Mainz bietet Auszubildenden des 1. Lehrjahres die Simulation eines komplexen und vernetzten Kundenauftrags schon am Ende ihres ersten Elektrotechnik-Ausbildungsabschnitts.


„Wir wollen unseren Auszubildenden schon ganz am Anfang die Chance einer komplexeren Ausbildungssituation mit Projekt- und auch Wettbewerbscharakter bieten“,

Daniel Kitz, Fachbereichsleiter Elektrotechnik und Mechatronik beim ILW Mainz


Sie ist ein echter Blickfang: Die 8 mal 3 Meter messende Installationswand, übersät mit elektrischen Leitungen, Steckdosen, Schaltern, Lampen, Abzweigdosen und verschiedensten Kabelkanälen. Die sonst verwendeten Installationsgitter haben im Vergleich hierzu bloß Briefmarkengröße. Beschriftungen wie Flur, Büro, WC oder Teeküche unter den elektrischen Installationen weisen auf ihre spätere Verwendung hin. Elf Auszubildende des 1. Lehrjahres beim ILW Mainz haben sie innerhalb von zwei Wochen geplant und an die Wand gebracht. 

„Wir simulieren hier einen wirklichen Kundenauftrag, den die Auszubildenden weitgehend eigenständig bearbeiten“, erläutert Claudia Mann, Ausbilderin Mechatronik beim ILW Mainz und Projektverantwortliche. Konkret geht es um die Elektro- und IT-Netzwerktechnischen Installationen für ein Bürogebäude, das ein Kunde in einer ausgedienten Lagerhalle einrichten möchte. Der Projektcharakter zeigt sich schon darin, dass die jungen Leute aus ihren Reihen einen Projektleiter und seinen Stellvertreter, der auch gleichzeitig Schriftführer ist, einen Material- sowie einen Sicherheitsbeauftragten wählen. Dieser Ansatz folgt dem Konzept der „vollständigen Handlung“, einer Methode, die zum selbstständigen Bearbeiten von Kundenaufträgen befähigen soll.

Wand mit den elektrotechnischen Installationen für ein Bürogebäude.
Wand mit den elektrotechnischen Installationen für ein Bürogebäude.

„Wir wollen unseren Auszubildenden schon ganz am Anfang die Chance einer komplexeren Ausbildungssituation mit Projekt- und auch Wettbewerbscharakter bieten“, sagt Daniel Kitz, Fachbereichsleiter Elektrotechnik und Mechatronik beim ILW Mainz. Zusammen mit seinem Mitarbeiter Michael Wollmer, Ausbilder Elektrotechnik, hat er die zweiwöchige Ausbildungseinheit konzipiert. Nachdem der Pilot bereits im Sommer erfolgreich verlaufen ist, hat Claudia Mann den ersten regulären Durchlauf übernommen.

Projektleiter Simon Schwarz hat seine Kollegin und Kollegen so in Gruppen eingeteilt, dass jeder die bestmögliche Arbeit leisten kann. Dazu mussten in den jeweiligen Gruppen Arbeitspakete geschnürt werden, die so gefasst sind, dass eine Person allein diese bewältigen kann. Als besonders herausfordernd empfand er es, den Zeitplan einzuhalten. Seine Prognose kurz vor der Zielgeraden des Projekts: „Ich glaube, es wird gut!“ Nach der Abnahme aller elektronischen Installationen am 6. Dezember wird die Installationswand erstmals ans Netz gehen.

Adrienne Violand hat den Schriftführer unterstützt, wozu auch das Erstellen der notwendigen Schalt- und Installationspläne zählte. Zweieinhalb Tage hat das Team auf das Planen und Zeichnen verwendet. Dabei lief nicht immer alles glatt: Irgendwann stellte sich zum Beispiel heraus, dass sich normale Wechselschalter nicht eignen, um eine Lampe über mehr als zwei Schaltstellen zu steuern, wie der Kunde das gefordert hatte. Darum kamen Kreuzschalter zum Einsatz. Adrienne ist stolz auf den Verlauf: „Super, ich hätte nicht gedacht, schon nach 12 Wochen Ausbildung ein so komplexes Projekt bewältigen zu können“. 

Von Auszubildenden gefertigte Materialliste, Montageplan und Installationsplan (im Unschärfe-Modus zum Schutz vor Nachahmung).
Von Auszubildenden gefertigte Materialliste, Montageplan und Installationsplan (im Unschärfe-Modus zum Schutz vor Nachahmung).

Um den Kundenauftrag möglichst realistisch abzubilden, gab es mit Florian Schwilling einen Materialbeauftragten. Aus dem Installationsplan hat er abgeleitet, welches Material in welchen Mengen für die Umsetzung benötigt würde und was es kostet. Herausfordernd war hier zusätzlich, dass das Material und die Betriebsmittel in englischer Sprache beschrieben waren, was in der Praxis durchaus vorkommt. Zusätzlich war der erforderliche Zeitaufwand für die Ausführung des Kundenauftrags zu kalkulieren und mit einem Preis zu versehen. Hieraus entstand ein Angebot an den Kunden. Wie im „echten Leben“ kam es darauf an, sich im Rahmen der kalkulierten Kosten zu bewegen, und das ist dem Team gelungen. „Es war in jedem Fall cool, was Praktisches zu machen“, bilanziert Florian Schwilling.

Ole Platz hat sich aus Neugier für den Job des Sicherheitsbeauftragten zur Verfügung gestellt. Seine Hauptaufgabe bestand darin, Gefährdungsbeurteilungen für die Baustelle mit den verwendeten Werkzeugen und Hilfsmitteln zu erstellen und darauf zu achten, dass alle Sicherheitsbestimmungen dokumentiert, unterwiesen und eingehalten werden. Neben dem elektrischen Strom waren VDE-Handwerkzeuge, Winkelschleifer, Stichsäge, Lasermessgerät, Bolzenschneider und nicht zuletzt die notwendige Leiter potenzielle Gefahrenquellen. „Viele Gefahren, wie dass man sich mit einem Seitenschneider schwere Augenverletzungen durch abgetrenntes herumfliegendes Material zufügen kann, erkennt schon der gesunde Menschenverstand“, sagt Ole Platz, „aber dass man sich mit einem Laser schwere Augenverletzungen zufügen kann, war mir so neu“.

„Elektrischer Strom birgt viele Gefahren und wir haben dafür gesorgt, dass die Auszubildenden in einer geschützten Blase arbeiten, in der nichts passieren kann“, ergänzt Claudia Mann. Sie ist mit der Leistung der Gruppe sehr zufrieden. Daniel Kitz will das Installationswand-Projekt auch nutzen, um Talente zu finden, die bei Berufswettbewerben von WorldSkills Germany e.V. mitmachen, dessen Mitglied das ILW Mainz seit einem Jahr ist. Und er hofft, dass die Begeisterung der Auszubildenen, schon so frühzeitig ein eigenständiges und vernetztes Projekt umsetzen zu können, Mitglieder und Kundenbetriebe motiviert, die überbetriebliche Elektrotechnik-Ausbildung durch das ILW Mainz noch intensiver zu nutzen.

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ILW Artikel 29.11.21.pdf
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